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Theater der Infamen Menschen
Im November 2014 wurde das „Theater der Infamen Menschen“, eine Kooperation zwischen der Agentur für Überschüsse, dem Verein N.E.MO, der Universität zu Lübeck und dem Theater Combinale in Lübeck uraufgeführt.
Grundlage der Aufführung waren die „lettres de cachet“, von Arlette Fargue gesammelte und von Michel Foucault kommentierte Einweisungsbitten von Pariser Bürgern des 18. Jahrhunderts. Das Projekt thematisiert in diesem Zusammenhang den Umgang mit Regeln und Normen im medizinischen Kontext und warf die Frage auf: Sind wir heute tatsächlich so viel toleranter und aufgeklärter als die Bürger des vorrevolutionären Paris? Die Inszenierung versuchte, Normverletzungen durch abweichendes Verhalten als Spiel, als Entwicklungsüberschuss, als „motorisches Rauschen“ aufzufassen und in Theater zu verwandeln.
Auf der von Marcel Weinand gestalteten Bühne befanden sich drei Personen: heutige Entscheidungsträger – Ärzte, Eltern. Ihre Rolle war es, Machtinstanzen zu repräsentieren. Die Drei sprachen in einem professionell-verständnisvollen Ton über die jeweiligen Patienten. Im Hintergrund befandet sich der Tourette-Betroffene Daniel Weber, der mit ruhiger Souveränität aus Michel Foucaults Text über die „lettres de cachet“, die französischen Einweisungsbitten rezitierte. Seine Rezitationen wurden von Tics unterbrochen – oftmals lauten und mitunter sozial unangemessenen Tics. Diese Tics griffen in den szenischen Ablauf ein, veränderten ihn, verschoben die Perspektiven. Tics, die im Alltag eher irritieren, wurden so zum bewusst gesetzten Spannungspol einer „Menschlichen Komödie“ anderer Art.
Unterstützt und konterkariert wurde die Szenerie von der Komponistin und Pianistin Ninon Gloger und der Sängerin Frauke Aulbert.
Das Stück wurde nach einer Wiederaufnahme am 15. und 16. Juni 2016 im Theater Combinale in Lübeck und am 21., 22. und 23. Juni 2016 auch im Rahmen des International Parkinson and Movement Disorder Congresses im Ballhaus Ost in Berlin aufgeführt. Es hatte dort sehr positive nationale und internationale Resonanz. Besprochen wurde es u.a. im RBB radioeins und RBB Inforadio.